Verschwimmende Konturen im Farbnebel

Der Tischlermeister Udo Knake experimentiert gerne mit Farben und Materialien für den Möbelbau in seiner Tischlerei. Besonderen Wert legt er dabei auf Nachhaltigkeit. Für sein neuestes Projekt verwendet er Lackreste aus Farbnebeln – dem sogenannten Overspray – um damit Möbel zu gestalten, von denen jedes ein Unikat ist. Die subtilen Farbbilder, die auf den feinen Hölzern für einen leicht verschwommenen Effekt sorgen, verwendet er besonders gerne für Schränke und Tische, die sogar als Wandbilder funktionieren.

Es kann beim Frühlings-Spaziergang in der Natur passieren, unter der Dusche oder mitten im Gespräch mit Freunden: Kreative Prozesse werden oft von unscheinbaren Ereignissen angestoßen. Besonders häufig entstehen zündende Ideen in Momenten der Muße – und genauso oft versickern sie auch wieder. Nicht so bei Udo Knake: Der Tischlermeister aus Herford, der vor allem Küchenmöbel baut, ist das, was man einen Macher nennt. Zuletzt hat er aus Erde, die von seinem eigenen Grund und Boden stammt, ökologische Farben selbst entwickelt – und bereits erfolgreich für seine Möbel verwendet.

Bilder von traumartiger Qualität
Ein Film, den sich der Familienvater im vergangenen Winter ansah, gab den entscheidenden Impuls für sein neuestes Projekt: Der Film „Werk ohne Autor“ von Florian Henckel von Donnersmarck ist an die Biographie des berühmten Malers Gerhard Richter angelehnt. Bekannt geworden ist der heute in Köln lebende Künstler mit Bildern, die er von Familienfotos abgemalt und verfremdet hat, sodass die Konturen verschwimmen – was seinen Bildern eine traumartige Qualität verleiht. Verwischte, unscharfe Konturen prägen auch viele seiner abstrakten Werke, die der 1932 geborene Künstler in seinen späteren Jahren angefertigt hat.

In der entscheidenden Szene, die den Tischlermeister zu seinem Projekt inspirierte, schlitzt die Filmfigur die Leinwand eines Bildes auf. Von hinten dringt Farbe durch den Spalt und färbt die Leinwand ein. Das erinnerte Udo Knake an ein Erlebnis in seiner Werkstatt, das schon lange zurück liegt: „Vor ein paar Jahren bin ich mit einem Freund, der Fotograf ist, durch unsere Lackierabteilungen gegangen.“ Sein geschulter Blick fiel auf die farbigen, zugenebelten Bretter, die beim Lackieren von Kleinteilen um die Teile gelegt werden – das sogenannte Overspray. „Mein Freund sagte: `Das ist ja fast schon Kunst …´. Ich habe mir dann zum ersten Mal bewusst die nebligen Farbbilder, die dort entstanden sind, angeschaut.“ Udo Knake verfolgte den Gedanken zunächst nicht weiter. Er vergaß die Farbbilder, die quasi als Abfallprodukte in seiner Werkstatt entstanden sind – bis zum letzten Winter.

Experimente mit Farbnebeln
Vielleicht war es die Unschärfe in den Gemälden von Gerhard Richter, die Udo Knake an die Farbbilder erinnert hat, die regelmäßig in seiner Werkstatt beim Lackieren entstehen. Da Tischler und Tischlerinnen für jeden Kunden und jede Kundin ein persönliches Unikat herstellen – auch, was die Lackierung angeht –, greifen sie dafür zur Spritzpistole. Dabei ist es unvermeidlich, dass beim Sprühen auch immer ein wenig Lack „daneben“ geht, der sich dann als Farbnebel auf den Oberflächen, auf denen die lackierten Teile stehen, absetzt.

Udo Knake sah sich das Overspray an seinen Handspritzständen noch einmal genauer an und begann mit Furnierresten aus unterschiedlichen Hölzern und mit unterschiedlichen Farbstellungen zu experimentieren. Er arrangierte die Furnierstreifen unterschiedlicher Holzarten rund um die Handspritzstände, sodass diese das Overspray auffingen und so unterschiedliche Farbnuancen annahmen. Der ökologische Faktor sei ihm dabei sehr wichtig, betont der Tischlermeister: „Ganz besonders gefällt mir der nachhaltige Gedanke – dass wir aus dem Overspray, das sonst nicht mehr genutzt wird, noch etwas Neues machen können.“

"Mir gefällt der nachhaltige Gedanke – dass wir aus dem Overspray, das sonst nicht mehr genutzt wird, noch etwas Neues machen können."

Erste Prototypen
Derzeit probiert Udo Knake noch aus, wie er seine Furniere am besten einsetzen kann – erste Prototypen gibt es bereits. Darunter sind nicht nur Möbel, sondern auch Wandbilder, für die Udo Knake Furnierstreifen mit unterschiedlichen Strukturen und Farbgebungen zu einem Bild komponiert und mit Möbelöl geschützt hat: Ein ungewöhnliches „Ölgemälde“, das an der Wand hängen, genauso gut aber auch zum Couchtisch werden kann.

Möbelfabrik Werner Knake, Herford
www.knake.de


Bilder: Fotostudio Hartmuth Klemme, Herford/Udo Knake