„Die Gute Form 2023“ in NRW: Runde Sache mit großer Klappe


Ein komplett abgerundetes Gesellenstück: Bei seinem Schreibtisch hat Fritz Zöhrlaut die Rundungen zum zentralen Gestaltungsmerkmal erkoren. Die Formensprache hat er auch bei der Klapplade aufgegriffen, die er anstelle einer herkömmlichen Schublade an der Unterseite seines Tisches eingebaut hat. Für sein Gesellenstück aus amerikanischem Nussbaum zeichnete die Jury den Nachwuchstischler aus Köln mit dem ersten Platz beim Gestaltungswettbewerb „Die Gute Form“ in NRW aus.



Die Jury hat alle Stücke des Landeswettbewerbs genau unter die Lupe genommen und diese intensiv diskutiert.

Insgesamt waren in diesem Jahr 47 Gesellinnen und Gesellen mit ihren Stücken bei dem Wettbewerb auf Landesebene vertreten. Ausgestellt wurden die Möbel Mitte November auf dem Stand des Fachverbandes Tischler NRW im Rahmen der Messe „Mode Heim Handwerk“ in Essen.

Lederimitat gibt dem Stück seinen Namen
„Gestell und Arbeitsfläche gehen bei diesem Schreibtisch eine vollendete Verbindung ein“, sagt die Jury über Fritz Zöhrlauts Gesellenstück. Der 22-Jährige, der bei der Tischlerei Smits in Bergisch Gladbach ausgebildet wurde, hat in die Arbeitsfläche seines Tischs ein braunes Lederimitat eingelassen. Dieses ist gleichzeitig auch der Namensgeber seines Stücks: „Cuero“ – das spanische Wort für Leder. Zu den gerundeten Rahmenteilen und der Platte urteilt die Jury: „Fritz Zöhrlaut ist es mit seinem Gesellenstück gelungen, ein Formprinzip konsequent durchzuhalten, ohne es dabei zu überfordern.“

Platz 2 für den „Exzentrelliptisch“
Auf dem zweiten Platz landete Lukas Paar mit seinem „Exzentrelliptisch“ – einem elliptisch geformten Tisch, dessen Mittelpunkt er sowohl optisch als auch konstruktiv aus dem Zentrum verschoben hat. Sowohl das Furnierbild aus Nussbaum als auch das Gestell und die Schubladenfuge hat der 25-Jährige, der seine Ausbildung bei der Tischlerei Bronneberg in Baesweiler absolviert hat, an diesem verschobenen Mittelpunkt ausgerichtet. Als weitere Besonderheit hat Lukas Paar zwei bogenförmige Schubkästen auf einer selbstkonstruierten Führung in sein Stück eingebaut. „Eine beeindruckende handwerkliche und konstruktive Leistung von hoher Ästhetik“, heißt es im Urteil der Jury.

Ein Flügel aus Esche-Lamellen auf Platz 3
Der dritte Platz beim diesjährigen Landeswettbewerb ging an Philipp Greve, der in der Schreinerei Brammertz in Aachen zum Tischler ausgebildet wurde. Als Gesellenstück hat der Nachwuchstischler einen wandhängenden Sekretär aus Esche und Linoleum gebaut. Bei der Form hat er sich vom Querschnitt eines Flugzeugflügels inspirieren lassen. An der Außenseite hat er rund 140 Lamellen aus Eschenholz angebracht, die den Eindruck unterstreichen, dass die flügelartige Gestalt aus der Wand herauszuwachsen scheint. Die Jury meint: „Die mit einer roten, elastischen Schnur bewusst improvisiert anmutende Zuhaltung unterstützt die frische Formensprache einer ganz im Zeitgeist liegenden Ausbaulösung.“



Belobigungen für drei Tischlerinnen
Zusätzlich zu den Preisen für die Siegerstücke vergab die Jury drei Belobigungen: Eine von ihnen ging an Julia Bauer (Ausbildungsbetrieb: Tischlerei MK2, Neuss) für ihren Schminktisch aus amerikanischem Nussbaum, Linoleum und Messing. Diese Materialien hat die Gesellin zu einem schwungvollen Konsolentisch aus historischen und modernen Elementen kombiniert. Eine weitere Belobigung erhielt Lilly Boßerhoff. Die 20-Jährige, die ihre Ausbildung bei Fingerhut Innenausbau in Wesel absolviert hat, hat einen Schrank aus Weißtanne mit Stoffbespannung konstruiert. Lilly Boßerhoff ist leidenschaftliche Kitesurferin – und so erinnert die äußere Form ihres Schrankes an einen aufgespannten Kiteschirm. „Das leichte Tannengestell mit seinen durch Seilzüge gespannten Bögen trägt die taillierte Hülle wie einen Maßanzug“, urteilt die Jury. Genauso wie Lilly Boßerhoff hat auch Anna Louise Fischer (Ausbildungsbetrieb: Schreinerei Frank Fassbender, Köln)) für den Bau ihres Gesellenstücks Weißtanne verwendet. Diese hat sie mit Eichenholz kombiniert und daraus einen Wäscheschrank gefertigt. „Die Gesellin weiß sich der traditionellen Massivholzkonstruktion sicher zu bedienen und wandelt sie im Sinne einer zeitgemäßen Formensprache ab, ohne dabei konstruktive Kompromisse einzugehen“, lobt die Jury. So sind die Türen als Rahmen mit Füllungen konstruiert, die Seiten dagegen als flächenbündige Füllung des Stollenrahmens ausgebildet.

Barmöbel gewinnt den Publikumspreis
Die Besucherinnen und Besucher der Messe Mode Heim Handwerk hatten auch in diesem Jahr wieder die Möglichkeit, aus den 47 ausgestellten Stücken ihren Favoriten auszuwählen. Die meisten Stimmen erhielt das Barmöbel von Linus Paeßens, der seine Ausbildung bei der Tischlerei Stefan Komescher in Kleve abgeschlossen hat. Aus Nussbaum, schwarzem MDF und Leder hat er ein geräumiges Barmöbel konstruiert, bei dem sich das Flaschenregal elektrisch hochfahren und im Möbel versenken lässt. Als Gewinner des Publikumspreises darf der Nachwuchstischler sich über 400 Euro freuen.

Zwei Stücke mit Chancen beim Bundeswettbewerb
Der Bau des Gesellenstücks ist der herausfordernde Abschluss der Ausbildung zum Tischler und zur Tischlerin. Dabei kreatives Potenzial zu fördern und zu fordern – das ist das Ziel des Gestaltungswettbewerbes „Die Gute Form“. Seit über 35 Jahren zeigt das Tischlerhandwerk in NRW mit dem Wettbewerb und einer Ausstellung der prämierten Gesellenstücke, wie gestalterisch begabt die Nachwuchskräfte sind. Die drei Sieger dürfen sich über Geldpreise in Höhe von 750, 600 und 500 Euro freuen. Die Stücke von Fritz Zöhrlaut und Lukas Paar werden zudem im nächsten Jahr beim Bundeswettbewerb im Rahmen der Internationalen Handwerksmesse in München den Start gehen.



„Die Gute Form 2023 NRW“ – Die Jury

Birgit Müller
Referatsleiterin Handwerk
m Ministerium für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie
es Landes Nordrhein-Westfalen
Düsseldorf

Anna-Katharina Ledwa
Projektgestalterin, Tischlerin
Münster

Michael Kals
Tischlerei Manufact
Köln

Johannes Niestrath
Redakteur dds
Leinfelden-Echterdingen

Thomas Klode
Vorsitzender Tischler NRW
Düsseldorf